HARDCORE SUPERSTAR: Interview mit Jocke Berg

Das folgende Interview hat HEAVY-Mitarbeiter Martin Römpp 2009 geführt. Wer dabei gegen Ende ein Déjà vu hat: Ja, tatsächlich haben die Schweden schon einmal Flugpech gehabt und mussten vor einigen Jahren ihren geplanten Auftritt beim BANG YOUR HEAD!!! 2008 um zwölf Monate verschieben. 2019 schlug das Schicksal abermals auf ganz ähnliche Weise zu: Zwar kam die Band selbst unbeschadet in Balingen an, doch ein großer und wichtiger Teil ihres Equipments nicht - ein Umstand, dem die Show der Schweden schließlich zum Opfer fiel...

Spaß inne Backen

Auch wenn ihre Texte manchmal anderes vermuten lassen: Gute Laune ist bei HARDCORE SUPERSTAR absolut Trumpf! Und weil die Göteborger Gang nach ihren Gigs nicht nur ordentlich feiern kann, sondern es auch im Studio immer wieder krachen lässt, darf man ruhig etwas Vertrauen in die Truppe haben!

Anfangs bereitete mir ‘Beg For It’ nämlich ein paar Schwierigkeiten, doch schon nach wenigen Durchläufen entfalten sich jede Menge kommender Klassiker, und diese Einschätzung bringt auch Frontsau Jocke Berg zum Strahlen...

Das ist doch prima! Von den üblichen Radiohits, die gleich ins Ohr gehen, hat man eh schnell die Schnauze voll. Da liefern wir doch lieber eine Platte ab, die wächst und dafür lange spannend bleibt.

Im Vergleich zu den beiden letzten Scheiben regiert auf ‘Beg For It’ mehr Abwechslung, und HARDCORE SUPERSTAR sind auch melodischer geworden, ohne dabei aber die Kick-Ass-Attitüde verloren zu haben...

Wir haben eine Mischung aus unserem schwarzen Album und ‘Dreaming In A Casket’ angestrebt. Die Platten davor haben sich stark voneinander unterschieden, wir haben rund sieben Jahre gebraucht, um unseren eigenen Sound zu finden. Wenn wir jetzt im Proberaum stehen, müssen wir nicht mehr groß nachdenken - die Ideen kommen automatisch, wir haben unseren Stil im Blut.

Kann man sagen, dass euch der Ausstieg von Gitarrist Thomas Silver nicht aus der Bahn geworfen hat, weil bei euch sowieso Drummer Adde oder Bassist Martin viele Riffs anschleppen?

Silver ist ein starker Typ, er sieht einfach wie ein Rockstar aus. Aber das reicht nicht. Man muss auch hart an sich arbeiten. Genau betrachtet ist er schon 2005 ausgestiegen, denn da hat er den Spirit und die Liebe zur Musik verloren.

Oha - das war ihm aber auf der Bühne nicht anzumerken, da schien Silver immer seinen Spaß zu haben!

Vielleicht sollte er eine Karriere als Schauspieler ins Auge fassen, haha! Er konnte sich bei Konzerten gut darstellen, aber insgeheim hatte er keine Lust mehr auf die Tourerei.

Für Außenstehende ist es immer schwer zu verstehen, wieso ein Musiker erst zehn Jahre lang für den Erfolg kämpft, um dann alles hinzuschmeißen, wenn es endlich nach oben geht. Da kommt mir immer gleich John Norum in den Kopf, der nach ‘The Final Countdown’ bei EUROPE gekündigt hat.

Genau, wie bescheuert war das denn? Ich weiß, was du meinst. Wir alle lieben Silver, haben aber leider kaum noch Kontakt zu ihm. Ich habe seit bestimmt sechs Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen. Es war einfach so, dass Martin, Adde und ich höhere Ziele anvisiert hatten, und er war nicht dazu bereit, die nötigen Opfer zu bringen. Wir haben uns aber mal geschworen, dass wir nie jemanden aus der Band schmeißen werden, und anstatt uns im Weg zu stehen, ist Silver eben zur Seite getreten.

Das Timing war allerdings grottenschlecht, schließlich passierte das Ganze kurz vor eurem Fernost-Abstecher.

Diesen Moment werde ich nie vergessen. Wir hatten gerade acht Shows in Großbritannien absolviert, und beim letzten Date in London nahm er uns zur Seite und eröffnete uns, dass er mit sofortiger Wirkung die Band verlassen würde. Wir waren quasi schon auf dem Weg zu unserem ersten Australien-Trip, und dann das! Wir haben ihn angefleht, es sich noch mal zu überlegen - aber seine Entscheidung war endgültig. Die Frage war also: Wen sollte ich anrufen? Die naheliegendste Idee war, einfach den Gitarristen unserer Supportband CRAZY LIXX anzuhauen, also zitierten wir Vic aus dem Bus. Er dachte erst, er hätte etwas angestellt, haha! Nachdem wir ihn gefragt hatten, ob er aushilfsweise die Reise nach Japan und Down Under mitmachen würde, hing er ewig am Telefon, doch dann sagte er zu. In der ersten Nacht brachte er sich drei unserer Songs bei, in den nächsten beiden Tagen waren es 16! Silver zeigte ihm ein paar Licks, doch meistens zog sich Vic unsere Songs per Kopfhörer rein. Er ist ein echtes Talent, und wir sind glücklich, dass er bei uns geblieben ist. Wir hatten rund 250 Anfragen von Gitarristen, die an dem Job interessiert waren, aber nach den erfolgreichen Konzerten haben wir niemanden angetestet und lieber Vic die Stelle angeboten.

Klingt, als hätte sich der Junge auf Tour gut benommen...

Wir kannten ihn ja überhaupt nicht, aber er hat einfach gut zu uns gepasst. Auch auf der Bühne ist er eine Herausforderung für mich, da ich plötzlich nicht mehr der einzige bin, der die ganze Fläche ausnutzt. Jetzt rennt da dieser Kerl mit der Gitarre ständig rum, und wir haben viel mehr Spaß, wenn wir auftreten.

Dein Energielevel bei Konzerten ist eh unfassbar hoch. Wie schaffst du es eigentlich auf Tour, eine solche Performance jeden Abend abzuliefern?
Da kann ich dir ein Geheimnis verraten - es hat nichts mit Drogen zu tun, haha! Ich mache regelmäßig Fitnessübungen und jogge jede Woche rund 30 Kilometer, um in Form zu bleiben. Man kann nicht ordentlich singen, wenn man außer Atem gerät. Das ist mir wichtig, schließlich steht zahlendes Publikum vor der Bühne, und da ist es unsere Verpflichtung, unsere bestmögliche Leistung abzuliefern.

Damit habt ihr in den letzten Jahren immer mehr Fans begeistert, was wohl letztlich zum neuen Deal mit Nuclear Blast geführt hat...

Genau, und darüber sind wir sehr glücklich, denn eine größere Plattenfirma hat einfach mehr Möglichkeiten, sich für uns einzusetzen. In Skandinavien sind wir aber nach wie vor bei Gain Productions, und in Asien betreut uns JVC. Damit sind wir weltweit bestens aufgestellt.

Mit euren neuen Labelkollegen von IN FLAMES verbindet euch ja schon länger eine Freundschaft, und auch ‘Beg For It’ wurde wieder in deren IF-Studio in Göteborg aufgenommen.

Ich mag die Studioarbeit ja nicht besonders, ich werde immer sehr nervös, sobald der rote Aufnahmeknopf leuchtet. Aber dort habe sogar ich mich wohlgefühlt und konnte etwas relaxen. Es lief auch alles locker ab, wir haben ja monatelang wie die Tiere geprobt, bevor wir dann nach Weihnachten ins Studio marschiert sind.

Mit ‘This Worm’s For Ennio’ habt ihr beim Intro wieder tief in die Filmmusik Kiste gegriffen und eine Hommage an Altmeister Morricone abgeliefert...

Im Gegensatz zu METALLICA haben wir unser eigenes Western-Theme geschrieben, haha. Wobei ich gar nicht beteiligt war, das haben die Jungs nämlich in einer Nacht- und Nebelaktion gemacht, während ich brav geschlafen habe.

Obwohl eure Mucke mehr denn je nach Party schreit, sind die Texte häufig wieder ziemlich düster ausgefallen.

Das liegt vielleicht daran, dass wir KING DIAMOND so mögen und insgeheim an unserem Konzeptalbum ‘Abigail 8’ arbeiten, haha! Ernsthaft, wir schreiben gerne über Dinge, die wir selbst erlebt haben. Das liegt uns mehr als der Dämonen- und Fantasy-Kram. Wir stammen alle aus der Arbeiterklasse, deshalb soll etwa ‘Beg For It’ auch ausdrücken, dass man sich unseren Respekt erst mal erkämpfen muss. Und auch wenn wir gerne feiern, ist das Leben nicht immer eine einzige Party - es gibt auch Momente, in denen man am Boden ist.

Deshalb hat es wohl die ungewohnt ruhige Nummer ‘Hope For A Normal Life’ aufs Album geschafft...

Das war eine ganz schwere Nummer! Adde produziert immer meine Gesangsaufnahmen, und ihm war meine Performance bei dem Song immer zu schrill. Schließlich hat er mich dazu verdonnert, das Stück auf einem Sofa liegend einzusingen, damit ich entspannter und stressfreier klinge. Der Text bezieht sich auf unser Leben auf Tour, das manchmal hart sein kann - schließlich warten zu Hause meine zukünftige Frau und meine kleine Tochter auf mich.

Trotzdem schafft ihr es diesmal hoffentlich aufs BANG YOUR HEAD!!!...

Hey, wir haben uns richtig schlecht gefühlt, weil es letztes Mal nicht geklappt hat. Unser Anschlussflug in Paris wurde wegen eines Motorschadens abgesagt, und obwohl wir sogar später hätten auftreten können, hat es letztendlich nicht gereicht. Aber diesmal sind wir am Start, zur Not gehe ich zu Fuß nach Balingen! Nur sollte ich dann langsam mal loslaufen, haha!

Autor: 

Martin Römpp

Aus Heavy-Ausgabe: 

122

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